Keine Raupe Nimmersatt

Es ist acht Uhr früh, und ich weiß dass wir in knapp einer halben Stunde frühstücken. Ich glaube ich esse zwei Brötchen (die kleinen zum aufbacken nur, also keine Angst). Ich spritze also für geschätzte sieben BE 14IE. Zehn vor neun. Der Blutzucker bei 48mg/dl und ich sitze endlich vor meinem Teller. Meine Hände zittern auch noch beim letzten Bissen Honigbrötchen und trotz einem Wert von 69mg/dl und einem nicht enden wollendem Hungergefühl weiß ich, dass es danach nichts mehr gibt.

Zwölf Uhr mittags und ein Wert von 123mg/dl. Perfekt! Ich schnabulier an diesem schönen Ostersonntag zwei Haselnuss große Schokoeier für die ich auf Grund ihrer Winzigkeit nichts spritze, das ist ja als würde ich einen Schluck Apfelschorle trinken, also nicht erwähnenswert. Dann drei Uhr Mittag. Der Wert bei 258mg/dl, euer sche** Ernst? OK 3IE zur Korrektur und ein Nickerchen auf der Couch, es ist schließlich Ostern und Sonntag noch dazu. Vier Uhr, Ich wieder wach aber fühle mich als hätte ich fünf Wochen nicht geschlafen. Ok Schlaf macht bekanntlich manchmal müder als davor. Der Kaffee ist schon aufgesetzt, heißt es gibt bald lecker Windbeuteltorte. Nach einer kurzen wach-werde-Pause liegt mein Blutzucker bei 75mg/dl, was akzeptabel ist, vor allem da ich jetzt keinen spritz-ess-Abstand von mindestens zwanzig Minuten mehr einhalten kann und es kaum erwarten kann diese absolut göttlich aussehende Torte zu probieren! Ich spritze also 8IE für das Stück das ich auf vier BE schätze und der Gewissheit, dass ich danach zwei weitere Schokoeier vernaschen werde, was meinen leichten Unterzucker aufheben wird. Zehn Minuten später ist das Stück Torte weg und ich habe das Gefühl gleich zu explodieren da besagtes Teilchen aus neunzig Prozent Sahne bestand. Die zwei Schokostückchen für meinen etwas zu niedrigen Wert stecke ich ungern noch in den Mund, aber der Zucker muss ja auch wieder in Ordnung gebracht werden…dabei kommt ja mal wieder pure Freude auf…oder eher nicht.

Dann geht es trotz Oster Gefühlen und eigentlich zur Gemütlichkeit verurteiltem Sonntag ans lernen. Ein, zwei und drei Stunden vergehen bis ich absolut keine Lust mehr und einen vernichtenden Wert von 52mg/dl habe. Weil ich gerade absolut! keine Schokolade sehen kann mach ich mir eine seeeehr starke Johannisbeerschorle, was ich normalerweise ebenso verabscheue wie gerade jetzt Schokolade. Während der nächsten Stunde und etlichen YouTube Videos später liege ich wieder bei zufriedenstellenden 127mg/dl. 

Halb acht, immernoch gute Werte und Vorfreude aufs Abendessen mit Schnitzel, Kartoffelecken und grünem Spargel. Ich entscheide mich für hoffentlich satt machende vier BE und spritze dafür 7IE, wobei ich ziemlich sicher weiß dass es in exakt zwanzig Minuten Essen gibt. OK, dreißig Minuten später entscheide ich mich dazu meine Planungen absofort entgültig über Board zu werfen, da es ja eh nichts zu bringen scheint. Viel zu spät gibt es endlich Essen. Nachdem zwei Drittel meines Tellers endlich leer sind denke ich nicht mehr dass ich hoffentlich satt werde, sondern dass diese verdammten Kohlenhydrate so schnell wie möglich in meinen Bauch gelangen damit ich endlich aufhören kann zu essen da ich befürchte gleich zu platzen. Der Rest der Familie lässt die Hälfte liegen, aber nachdem ich weder bereits gespritztes Insulin aus meinem Körper saugen, noch ein einziges kleinstes Stück Zucker in Form von Schokolade oder Saft in meinen Mund bekomme esse ich tapfer weiter. Am Ende dieser Mahlzeit fühle ich mich wie vom Lkw überrollt. Zuerst denke ich dass nach so einer Menge essen nichts anderes zu erwarten ist, aber bereits nach knapp einer Stunde ist klar, es waren nicht genug Kohlenhydrate. Im Klartext heißt das erneut Zucker…Ich hasse mein Leben…besonders an Tagen wie heute…

Ich habe gelernt mit meinem Diabetes zu leben und meine Kohlenhydrate fast wie eine Maschine zu berechnen. Trotz all dem Wissen das ich mir die Jahre über angeeignet habe bin ich ein Mensch. Menschen machen Fehler und aus denen muss man lernen. Das heißt nicht, dass das immer klappt, aber je öfter man es probiert desto höher ist die Chance dass man einen weiteren solcher Tage zu verhindern vermag. Also wenn ich wieder mal so einen Tag habe an dem ich nichts mehr essen kann weil ich nur eine gewisse Menge an Insulin gespritzt habe, oder wenn ich trotz drohendem Platzen meinem Körper noch mehr Zucker zuführen muss dann versuche ich genau daran zu denken um nicht zu verzweifeln.

Damit will ich sagen „Kopf hoch Leute!“ Egal wie anstrengend es ist oder wie schrecklich ihr euch fühlt, an den schwersten Aufgaben wächst man am meisten und nur so können wir zukünftige Eskapaden verhindern. Demnach lasst euch eure Schokoladeneier schmecken solange es geht und feiert euch selbst für jeden einzelnen richtig berechneten Kohlenhydrat! 

Frohe Ostern!

2 Gedanken zu „Keine Raupe Nimmersatt

  1. Hi Lina, ich habe mit Begeisterung deinen Blog gelesen. Es freut mich, wie du mit deiner Diabetes-Erkrankung umgehst und anderen dadurch hilfst. Mein Team und ich wollen etwas ähnliches machen. Wir haben, leider auch am eigenen Leib haben festgestellt, dass wir Menschen sowohl über unsere Krankheiten, als auch potentielle Erkrankungen von Ärzten und Medizinern nicht immer adäquat aufgeklärt werden. Aus diesem Grund informieren wir Menschenunter anderem über das Thema Diabetes, wie man damit lebt und alles was man dazu wissen sollte Wir wollen außerdem so Diabetiker stäärker miteinander vernetzen. Dabei achten wir darauf, dass die teilweise sehr komplexen Informationen (Gerade von Forschern und Ärzten produziert) so verständlich wie möglich sind. Wir schleifen derzeit unseren Prototypen in Form eines Mailings um in 3 Monaten dazu eine kostenfreie App fertigzustellen. Um die Inhalte für die Betroffenen so gut es geht zu definieren und an ihre Bedürfnisse anzupassen, arbeiten wir mit aktiven Patienten zusammen um gemeinsam die passenden Inhalte zu identifizieren. Ich würde mich sehr freuen dich in unsere Testgruppe aufnehmen zu könnenn. Du erhältst dann wöchentlich eine Mail mit news rund um diabetes. In dem Newsletter befindet sich die Möglichkeit Feedback zu geben. Das hilft uns dabei die Qualität stetig zu verbessern und noch mehr Menschen zu helfen. Was sagst du, dürfen wir dir wöchentlich einmal news rund um Diabetes zukommenlassen und mit deiner Hilfe Diabetiker weltweit unterstützen? Beste Grüße Sascha

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